Einmal Schaf, immer Schaf

Für Luise, Charlotte, Marie und Paula

Wenn ich uns mal vorstellen darf. Wir heißen Uschi, Rosi und Josi. Ich bin die Rosi und eindeutig die Schönste von uns.

Die anderen Zwei meckern zwar, wenn ich das sage, aber ich weiß es einfach. Basta. Meckern tun wir übrigens ständig, einfach weil wir Schafe sind. Oder sind das die Ziegen, die meckern? Schafe blöken, sagen die Durchblicker. Ist aber für diese Geschichte völlig unwichtig.

Also. Unsere Geschichte liest euch diese grauhaarige Oma vor, einfach weil sie unsere Sprache versteht. Sie ist nämlich vom Sternzeichen her „Schaf, behauptet sie jedenfalls immer, wenn sie gefragt wird. Die benimmt sich auch oft so. Da könnten ihre Enkel allerdings mehr zu sagen.

 

Jetzt gibt ja nicht jeder gerne zu, dass er ein Schaf ist. Denn wer ein Schaf ist, ist bei den Menschen entweder doof oder blöd. Doofes Schaf oder blödes Schaf ist ein Schimpfwort.

Aber ich möchte nicht wissen, wie viele von euch abends ein Schaf zum Einschlafen brauchen? Als Kuscheltier. Das ist ja ganz nett, aber absolut unwirklich. In Rosa, in pink, in himmelblau. Mit Schleifchen, mit Glöckchen, mit Glitzer. Das geht gar nicht. Da blöke ich gegen an. Wir Schafe sind nie pink und duften nach Persil, sondern braun, grau, fleckig und wir stinken. Weil wir überall hin kacken. Also natürlich da, wo wir uns aufhalten, nicht da, wo ihr Menschen wohnt. Ihr dürft nicht überall hin kacken. Wie Kaffeebohnen kacken wir, falls ihr überhaupt wisst, wie Kaffeebohnen aussehen.

Berühmt sind die schwarzen Schafe. Bei euch Menschen sind sie nicht beliebt, fragt mal eure Eltern.

Schluss jetzt mit der Einleitung, wir müssen mal voran kommen... Also, wie gesagt, sind wir 3 Schafe. Uschi, Rosi und Josi. Ich bin die Schönste, aber das wisst ihr ja schon.

Wir wohnen in einem großen Gehege, zusammen mit Hühnern und 2 Hasen. Die Hühner sind ganz nett, aber dieser alberne Hahn ist ein echter Angeber. Der mischt bei uns alle auf, sobald er Zuschauer hat. Dann jagt er seine Hühner durchs Gelände, bis die alle rum flattern und die Federn fliegen. Das nervt. Der stört ganz gewaltig das friedliche Miteinander im Gelände. Wir wissen nicht, wie der das schafft, dass seine Hennen ihn ständig mit frisch gepickten Würmern und Mistkäfern versorgen. Bei uns Schafen macht das keiner. Das Verwöhnen. Außer Ingo. Aber der ist kein Schaf. Der ist ein Mensch. Einer von den Netten. Der ist jeden Tag bei uns. Vielleicht ist er zu Hause alleine. Oder hat keine Kinder. Egal.

Also Ingo sorgt sich täglich um uns. Bringt frisches Wasser und halt alles, was Schafe, Hühner und 2 Hasen so brauchen. Obwohl für die Hasen brauchen wir kein Futter mehr, die haben sich doch tatsächlich einen Graben unterm Zaun gebuddelt und sind abgehauen. Die sind einfach blöd. Draußen im Feld ist bestimmt keiner, der zu denen sagt: „wie süüüüß." Eigentlich kriegten die blöden Hasen die meiste Aufmerksamkeit. Sogar die Kleinsten von den Menschen sind aus ihren Kinderwagen geklettert und haben gerufen: „Hasi, Hasi". Zu spät. Jetzt werden halt wir Schafe angesprochen mit „Määäähh". Was sollen wir darauf antworten? Wir beachten es einfach nicht.

Außerdem müssen wir vorsichtig sein, weil unser Schafbock uns beobachtet. Der ist einfach ätzend, der Mistbock. Ich weiß nicht, wozu Ingo den angeschafft hat. Seit der da ist, ist Ende mit Lustig im Gelände. Für mich. Uschi und Josi finden ihn gutaussehend, ich finde er riecht streng. Ehrlich gesagt: er stinkt. Bestialisch. Ich muss immer einen großen Bogen um ihn machen, sonst bleibt mir die Luft weg. Dabei ist der so hinter mir her, weil ich halt die Schönste bin. Bin ja auch die Jüngste. Erst seit einem Jahr im Gelände. Zierlich, lockig, schlanke Beine, sanfte Augen. Na gut. Geschmack hat der Egon. So heißt der Stinker.

Zu Ingo hat er kein besonders gutes Verhältnis, weil er eifersüchtig ist. Sobald der auftaucht, stemmt er seine strammen Beine in den Boden, verzieht sein Gesicht zu einer grimmigen Fratze und rennt mit gesenktem Kopf und spitzen Hörnern auf ihn zu. Ingo lässt ihn dann immer gegen die Hüttenwand rennen, wo er dann meistens stecken bleibt. Ich genieße diese Auftritte besonders. Dann erklärt Ingo dem Egon jedes mal, dass er auf seine Schafe Uschi, Josi und Rosi aufpassen soll und nicht sich umbringen.

Er kapiert das nie. Sonst wäre es ja auch nicht zur Katastrophe gekommen ... .

Vorigen Sonntag. Sonnenschein schon um 6 Uhr morgens. Die verfressenen Hühner sind schon wieder draußen, Würmer picken. Es hat geregnet heute Nacht, da gibt es reichlich dicke, fette Würmer. Die Hasen waren auch noch da, glaube ich. Am Zaun vorne rennt gerade Frau Dusel vorbei, wie jeden Morgen, bevor sie zur Schule geht. Aber am Sonntag? Wofür das gut sein soll, weiß ich nicht. Rennen wird völlig überbewertet, finde ich. So als Schaf. Dann hat sie auch noch so Stöpsel im Ohr.

Wahrscheinlich kann sie das Gegackere von den Hühnern nicht mehr hören. An uns kann es nicht liegen. So früh am Morgen machen wir noch keinen Mucks. Am Tor macht sie immer Stop und fangt an zu jodeln. Oder was sie dafür hält. Und dann werden noch ein paar Muskeln gestretcht und weiter rennt sie. Heute kommen wahrscheinlich nicht so viele Menschen vorbei, ist zu warm, da gehen sie lieber ins Schwimmbad. Ingo ist auch schon am Mittag da, weil er am Abend Party hat, wegen seinem Geburtstag. Er wird 50. So alt wird kein Schaf. Weil wir vorher schon gebraten oder gekocht verspeist werden. Das ist nun mal so. Die Welt besteht halt nicht nur aus Vegetariern. Obwohl das für die Welt viel besser wäre. Und für uns Schafe auch. Dann könnten wir sorglos alt werden, unser Fell zu tollen Pullovern verarbeiten lassen oder zu Teppichen, die ewig halten. Dafür könntet ihr Kinder euch doch mal stark machen. Das wäre toll. Wo bin ich stehen geblieben?

Ach ja. Also. Ingo hat uns angeblich eine Extraportion Schaf-Hasen-Hühnerfutter dagelassen und ist abgedüst zur Geburtstagsparty. Was hat er sich dabei bloß gedacht? Wer schließt heute Abend den Stall hinter uns ab? Und wer zählt die Hühner nach? Und wer erklärt dem doofen Egon, wie er uns behandeln muss? Es kommt, wie es kommen muss.

Seit Stunden ist kein Mensch mehr hier vorbei gekommen. Zu heiß heute. Uschi hängt faul rum und will nur Schatten, weil ihr Pelz fast brennt. Und Josi zickt, äh, blökt, weil das Wasser warm geworden ist.

„Also, das ist doch das Letzte. Da lässt der Ingo uns einfach alleine, weil er feiern will", ruft Uschi unterm Holunderstrauch hervor. „Dem ist es doch völlig egal, ob ich einen Sonnenbrand kriege!"

„Kriegen Schafe überhaupt Sonnenbrand?" frage ich noch. Die Hühner fangen an zu kichern.

„Ach sei du doch still, Rosi, du hast doch keine Ahnung, du Küken", sagt Uschi. „Du bist doch erst ein Jahr hier."

Die Hühner protestieren, weil Uschi mich Küken genannt hat. „Das Wasser ist pipiwarm" schimpft Josi. „Außerdem hat der blöde Hahn darin gebadet. Das trinke ich nicht!"

Und was machen die blöden Hühner? Sie verteidigen ihren Hahn. „Der badet wenigstens. Sollte euer Chef auch besser machen. Der stinkt nämlich ganz gewaltig", gackern sie hektisch alle auf einmal. „Und dieses verfilzte Fell, was der am Hammelkörper trägt. Sieht aus wie ein Wischmopp. Ein riesiger Wischmopp. Ein Mega-riesen-wischmopp. Gack, gack, gack."

Wenn ich mir ihn so anschaue, muss ich den Hühnern Recht geben, aber das traue ich mich nicht laut auszusprechen. Uschi und Josi sind entrüstet. „Ach seid ihr mal ganz still, ihr blöden Hühner. Ihr steht ja schon stramm, wenn sich euer Gockel nur blicken lässt. Nur weil er ein Paar bunte Federn im Schwanz hat, ist der noch keine Schönheit. Der hat doch noch nicht mal Hörner", schimpft Uschi. „Ha,ha, ha." lachen sich die Hühner weg. „Wenn euer Bock so weiter rum randaliert, hat der auch bald keine mehr. Die bleiben dann einfach in der Stallwand stecken, ha, ha, ha.

Ich muss auch lachen, aber Uschi und Josi finden das gar nicht lustig. Sie sind halt schlecht gelaunt heute.

Ingo hätte aber auch ein paar Extra-Leckerchen da lassen können. Hat er wohl vergessen, wegen der Geburtstagsparty heute.

Es ist stinkelangweilig heute. Keine Zaungäste. Noch nicht mal kläffende Hunde, die uns ärgern wollen. Stille. Die Hühner liegen in kühlen Kuhlen, die Hasen lassen die schlappen Ohren hängen und pennen, der doofe Hahn erholt sich irgendwo hinten im Gehege, Uschi und Josi dösen unterm schattigen Holunderstrauch, Egon hat sich schon seit Stunden nicht mehr blicken lassen.

Ich denke noch, wie friedlich, da rast ein schwarzes, riesiges Ungetüm an unserem Gehege vorbei. Ich glaube es nennt sich „Auto". Weil es auch so stinkt, wie ein Auto. Jedenfalls macht es mächtig Krach und zieht eine riesige Staubwolke hinter sich her. Kurzes Gezetere im Gehege, wegen der Ruhestörung am Sonntag, dann ist wieder Ruhe. 2 Minuten lang.

Das schwarze Ungeheuer kommt mit Karacho zurück, sogar die Fensterscheiben sind dunkel. Diesmal fahrt es allerdings langsamer vorbei. Die Rauchwolke bleibt länger und senkt sich auf den Hühnerstall.

Wir sind natürlich jetzt verärgert über die Ruhestörung. Besonders die Hühner regen sich auf, weil sie Angst haben, dass ihre Eier nach Auto stinken. Die Hasen stört das überhaupt nicht, die sind sicher schwerhörig. Uschi, Josi und ich diskutieren über die Störung, Egon gähnt und teilt uns mit: "Kümmert euch doch nicht um jeden Dreck" und zieht sich wieder in den Schafstall zurück.

„Ich gäbe jetzt alles für ein paar Kartoffelschalen, mmäääh", seufzt Uschi und fangt an zu sabbern.

„Und ich würde mich vergessen für einen großen, grünen Salat, mmmääääh", schwärmt Josi und verdreht die Augen.

„Ich habe schon Halluzinationen von Möhrchen mit Grün. Ein ganzer Bund voll gelber, saftiger Möhren, mmmäääh." Ich sehe sie vor mir. Die Kartoffelschalen, den Salat, die Möhren … .

Sie fliegen über den Zaun, direkt vor unsere Füße. Kartoffelschalen, Salat und Möhrchen. Wir sind vor Schreck wie blöd. Gibt es einen Himmel für Schafe, der Wünsche erfüllt? Wie ist das denn möglich?

Da kommen von der Seite 3 Männer angeschlendert. Wir starren sie genauso neugierig an, wie die uns. Haben die was mit dem Gemüse zu tun? Ja klar. Einer hat noch ein paar Möhren in der Hand. Allerdings hat er auch Handschuhe an. Überhaupt sehen sie ziemlich angezogen aus, trotz der Hitze. Und alles in schwarz. Unheimlich. Aber wir Schafe achten da nicht so drauf. Weil wir so verfressen sind. Gierig, kann man auch sagen. Das ist wie bei den Menschen. Ich sage nur: Schokolade!! Also, die schwarzen Männer setzen sich auf die Bank und rauchen. Sie beachten uns gar nicht. Die sind harmlos. Denken wir. Dumme Schafe halt.

Uschi, Josi und ich genießen in aller Ruhe unsere Köstlichkeiten. Josi zerreißt förmlich ihren Salatkopf, meine Möhrchen knacken bei jedem Bissen und Uschi zermalmt mit Wonne die Kartoffelschalen. Davon hätten wir gerne mehr. Kriegen wir. Einer der Männer steht auf, schmeißt seine Kippe in die Landschaft und jetzt spätestens hätten wir wegrennen sollen. Einer, der Zigarettenkippen einfach in die Landschaft schmeißt, kann nichts Gutes im Sinn haben. Aber als Schaf haste halt keine Menschenerfahrung.

Er stellt sich an den Zaun, beugt sich auf Schafhöhe herab und hält mir das schönste, wunderbarste Bund Möhren von der Welt vor die Nase. Mir wird schwindelig von diesem köstlichen Anblick.

„Na? Mein schönes Lämmchen?" säuselt er zu mir. „Sind das nicht leckere Möhrchen? Komm doch mal her zu mir. Ich will dich doch nur mal ein bisschen streicheln." Der will mich doch nur ein bisschen streicheln. Geht aber nicht, der hohe Zaun ist dazwischen.

Uschi und Josi werden eifersüchtig. Wie immer. Sie trampeln zum Zaun und lassen sich genüsslich die Nase kraulen. Josi macht sogar die Augen zu. Blöde Schafe, denke ich noch.

„Nö."

Der Hahn fragt seine scharrenden Hühner, ob er was verpasst habe. „Nö. Sagt jedenfalls das Schaf Rosi."

Leiser Wind kommt auf. Es kühlt ein bisschen ab. In der Ferne grummelt es. Riecht wie Gewitter. Wenn Schafe etwas nicht leiden können, dann sind es Gewitter. Da werden sie zu Angsthasen, ähhh Angstschafen. Da fangen sie an zu schlottern und bibbern und blöken und wollen sich nur noch verstecken.

„Oh, oh" jammert Uschi als Erste. „Das sieht nicht gut aus. Gar nicht gut. Gewitter kann ich überhaupt nicht ab. Nasse Schafwolle juckt entsetzlich". Sie kneift einfach die Augen zu.

Der erste Donner grollt übers Gelände.

Josi macht einen Satz und jagt wie ein aufgescheuchtes Huhn über den Misthaufen. Die Hühner bleiben noch gelassen. Bis der nächste Donner kracht. Sie retten sich ins Hühnergehege und gackern wie bekloppt.

Josi flüchtet Richtung Schafstall, Uschi hinterher, ich auch. Uschi knallt gegen die geschlossene Stalltüre, Josi knallt gegen Uschi und ich knalle hintendrauf. Autsch!! Wir sind fassungslos. Irgendwie hat dieser blöde Mistbock Egon es geschafft, sich rechtzeitig in den Stall zu retten, bevor der Wind die Türe zugeknallt hat. Und wir stehen völlig schutzlos draußen.

Über uns schüttet es aus riesigen Eimern, es blitzt und macht einen Höllenlärm. Es ist stockdunkel.

Und dann passiert es!!

Plötzlich leuchtet mir etwas Grelles direkt ins Gesicht, ich bin total geblendet, da zerrt mir schon jemand einen Sack über den Kopf, packt mich und schmeißt mich in den nassen Dreck. Josi und Uschi blöken noch hysterisch, dann sind sie ganz still. „Dass mir keiner das Lämmchen erledigt. Ich will es frisch", höre ich die gedämpfte Stimme von Freddi. Glaube ich wenigsten, dass es Freddi ist. Der Freddi mit den leckeren Möhren.

„Die Beine müsst ihr noch fesseln. Die blöden Schafe hauen sonst noch ab." Ich habe viel zu viel Angst zum Abhauen. Mit einem Sack über dem Kopf? Uschi und Josi lassen auch keinen Mucks von sich.

„Die zwei fetten Schafe auf die Ladefläche, das Lämmchen auf den Rücksitz. Ich will es im Auge behalten. Ihr zwei bewacht die Viecher auf der Ladefläche. Wenn sie rebellisch werden, macht kurzen Prozess. Verstanden?" Seine Stimme ist scharf. Ich werde auf den Rücksitz geschmissen. Da stinkt es nach Hund. Ich nehme an, es ist das schwarze Auto von heute Nachmittag.

„ Na? Lämmchen? Erkennst du mich?" fragt Freddi mich und fahrt los. Wie denn mit einem Sack überm Kopf. Es rumpelt gewaltig, weil er wahrscheinlich quer durchs hohe Mais-Feld fahrt. Damit ihn keiner sieht und seine Kumpels, wie sie Schafe klauen.

Ich habe eine Heidenangst. Mir ist schlecht. Es stinkt nach Hund. Ich werde durchgeschüttelt. In meinem Magen grummelt es.

Irgendwann bremst Freddi, steigt aus, holt mich vom Rücksitz und trägt mich irgendwo hin. Ich sehe ja nichts.

„So. Mein Lämmchen. Das sind deine letzten 5 Minuten. Gleich kommt der Chef und macht Hackfleisch aus dir".

Das halte ich nicht aus. Es grummelt gewaltig in meinen Därmen. Vor Angst. Ich kacke vor Angst dem Freddi in die Arme. Oder auf die Füße. Ich höre noch, wie er brüllt: "So eine Sch....!"

Es ist mir egal, ich werde einfach ohnmächtig. Oder tot.

Was dann passiert ist, weiß ich nur vom Erzählen.

Frau Dusel hat auf der Party von Ingo erzählt, dass sie sich gewundert hat, dass anscheinend keiner sich Gedanken gemacht hat, wie die Tiere abends in den Stall gebracht werden? Da hat der Ingo ein sauschlechtes Gewissen gekriegt, hat das Bierfass noch schnell angeschlagen, damit die Gäste schon mal feiern können und ist dann mit Frau Dusel zum Gehege gesaust. Da hat ihn dann das Grausen gepackt, wie er gesehen hat, dass seine Schafe geklaut waren. Das Tor stand auf, die blöden Hühner haben trotzdem die Gelegenheit verpasst abzuhauen. Der Ingo hat sich auf den Misthaufen gesetzt und geflennt, Frau Dusel hat sich nach Hinweisen umgeschaut. Sie hat einen nassen Fetzen Papier gefunden, einen Auftrag einer gewissen Metzgerei aus Gedönsrath. Sogar mit Adresse. Und weil sie Mathelehrerin ist, hat Frau Dusel 2 und 2 zusammen gerechnet und sofort reagiert. Ingo ins Auto geschubst, Tor zu wegen der Hühner und ab zur Adresse nach Gedönsrath. Ingo hat es dann doch noch während der Fahrt geschafft, die Polizei anzurufen und die haben es wohl geschafft, die ganze Sache einigermaßen friedlich zu lösen. Der Chef, seine Kumpels und Freddi sind verhaftet worden. Der Polizeimeister hat nur noch zu ihm gesagt: „Junge, du siehst ganz schön beschissen aus." Das habe ich wieder mitgekriegt, weil ich dann doch nicht tot war. Frau Dusel sei Dank.

Die netten Polizisten haben dann noch einen richtigen Tiertransporter organisiert und uns wieder zurück gebracht nach Lechenich. Ohne Sack natürlich und ohne Fessel. Ingo ist bei uns geblieben bei der Rückfahrt und hat uns ständig hoch und heilig versprochen, uns nie mehr zu vergessen. Geburtstag hin oder her. Uschi und Josi haben sich kraulen lassen, ich habe verzichtet. Da muss er sich schon mehr einfallen lassen. So einfach mache ich es dem nicht. Strafe muss sein. Meint auch Frau Dusel. Aber nicht für Ingo. Für uns.

„Was seid ihr bloß für blöde Schafe.He? Da kommen ein paar Kerle an den Zaun, zeigen euch ein paar Möhren und ihr verliert den Verstand? Seid ihr einfach nur verfressen oder dämlich? Wenn wir nicht rechtzeitig gekommen wären, würdet ihr schon in der Tiefkühltruhe liegen. Alle drei". Dabei schaut sie uns wütend an. „ Das wissen sogar meine Schüler, dass man von Fremden nichts annehmen darf und wenn es noch so lecker aussieht. Hätte ja auch vergiftet sein können. Die leckeren Möhrchen, oder der Salat." Sie redet noch eine ganze Weile auf uns ein, leider können wir ihr nicht antworten, sie versteht ja unsere Schafsprache nicht. Die Hühner bleiben etwas im Hintergrund, aber sie beobachten aufmerksam unsere Niederlage. Das ist ein gefundenes Fressen für später.

Ingo hat sich etwas erholt und fangt wieder an, Uschi und Josi zu kraulen. Das passt Egon überhaupt nicht und will schon wieder zum Angriff übergehen.

„Jungs, kommt doch mal her. Die Mädels wollen euch kennen lernen", ruft er den anderen zu. Ne, ne, ne. Eigentlich bin ich nur an den Möhren interessiert. Bei Uschi und Josi weiß ich es nicht.

Die Jungs schmeißen ihre Kippen noch schnell in die Landschaft und latschen zum Zaun.

„Na? Mädels? Alle gut im Futter? Jedes Kilo zählt." Sie klatschen sich gegenseitig in die Hände. Wir schauen staunend zu.

„Meine Frau liebt Pelzmäntel. Aber nennt man das Fell von Schafen überhaupt Pelz?" fragt einer der Männer. Ich weiche erschreckt zurück.

„ Nu erschreck das Lämmchen doch nicht so, du Dumpfbacke." antwortet er und haut seinem Kumpel in die Rippen. Der lässt die Möhren fallen. Ich sehe es. Ich schmeiß mich an den Zaun, aber an die Möhren komme ich nicht ran

„Jetzt hast du auch noch die Möhren fallen lassen, du Blödmann. Aufheben! Aber sofort! Und dann bringst du die dem kleinen Lämmchen. Das muss noch ein bisschen Fett auf die Rippen kriegen. Hast du mich verstanden?" brüllt er rum. Lämmchen? Meint der mich? Aber wieso Lämmchen? Ich bin doch kein Lämmchen mehr. Ich bin ein fertiges Schaf.

Ein dummes Schaf, aber das wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Ich fühle mich ein bisschen geschmeichelt, weil er so nett zu mir ist. Uschi und Josi sind abgemeldet. Und beleidigt. Egon ist auch nicht zu sehen. Schöner Aufpasser. „So. Meine Schöne. Nun fress mal schön alle Möhrchen, damit du groß und stark wirst. Aber zart sollst du schon bleiben, nicht zäh. Auf keinen Fall zäh. Das wäre ein großer Verlust. Du verstehst mich?" fragt er mich.

Nee, verstehe ich nicht. Bin doch ein Schaf. Und so viel unterhalten hat sich noch keiner mit mir. Ingo ist ziemlich einsilbig.

„Jungs, wir müssen. Preise verhandeln. Die Ware sieht gut aus. Das Geschäft ist so gut wie in der Tasche. Ruf den Chef an, wir sind in 10 Minuten da!" befiehlt er seinen Jungs.

„Zu Befehl Freddi. Auftrag ausgeführt." Und schon sind sie weg.

Uschi und Josi reden nicht mehr mit mir, ist mir aber auch egal. Da kann ich nämlich alle Möhren alleine fressen.

Bis zum Abend bleibt es friedlich. Es ist den ganzen Nachmittag keiner vorbei gekommen.

Nur Frau Dusel. Die rennt auch bei Hitze. Weil sie uns eine gute Nacht wünschen möchte, sagt sie. Sie wäre heute etwas früher da, weil sie zu Ingo auf die Party geht. „Und lasst euch nicht vom bösen Wolf fressen", ermahnt sie uns und macht noch flott 20 Kniebeugen. Ich schaue ihr hinterher, bis sie hinter dem Maisfeld verschwindet. Die spinnt doch. Böser Wolf! Glaubt die noch an Märchen? Komisch, diese Menschen.

Die Hühner erwachen wieder aus ihrem Dämmerschlaf und fragen mich, ob sie was verpasst hätten.

„Nö."

Die Hasen fangen langsam an zu mummeln und fragen, ob sie was verpasst hätten.

„Nö."

Egon schaut träge hinterm Stall hervor und fragt, ob er was verpasst hätte.

Frau Dusel hat jetzt die Schnauze voll. Sie tritt ihm entschlossen entgegen und sieht im genauso grimmig in die Augen.Und dann gibt's ein Donnerwetter! „ Du elender Feigling. Was willst du sein? Ein Schafbock? Du schaffst es ja noch nicht mal, 3 niedliche Schafe zu beschützen. Du bist ein erbärmliches Würstchen. Wenn du dich nochmal so blöd anstellst, ziehe ich dir die Hammelbeine lang. Hast du mich verstanden?"

Ich bezweifle das. Obwohl. Egon hat sich schützend hinter Ingo gestellt. Keine Spur mehr von Eifersucht.

„Ingo. Wir müssen los, wenn wir noch was von deiner Party haben wollen. Ich bringe die Hühner in den Hühnerstall, du bringst Egon und die Mädels in den Stall und Ruhe ist. Und kontrolliere bitte nochmal die Schlösser am Stall. Zack, zack." Die Hasen haben übrigens die Nacht ausgenutzt und sich unterm Zaun in die Freiheit gegraben … .